THRESHOLDS

15.Dezember - 24.Januar. 2014

Kuratoren: Vera Baksa-Soos, David Elliott, Constanze Kleiner, Rachel Rits-Volloch, David Szauder

In Partnerschaft mit Momentum Berlin und Collegium Hungaricum Berlin.

THRESHOLDS beschäftigt sich mit einem einmalige Moment oder Zeitfenster, in dem Grenzen überschritten, Regeln gebrochen werden. Es geht um bestimmte Situationen, wenn sich Veränderungen ereignen und neue Dinge in die Welt kommen könnten. Ein Thema, das zu Stettin passt – einer Stadt, die im Begriff ist, im Niemandsland zwischen Deutschland und Polen ihre neue Identität zu finden.

TRAFO Ansässige Künstler
Andreas Blank, Jarik Jongman

TRAFO Kooperationen. HEAVY WEIGHT HISTORY (Videodokumentation)
Christian Jankowski

Die MOMENTUM-Sammlung:
Eric Bridgeman, Osvaldo Budet, Nezaket Ekici, Doug Fishbone, James P. Graham, Mariana Hahn, Mark Karasick, Hannu Karjalainen, Janet Laurence, Gabriele Leidloff, Sarah Lüdemann, Kate Mcmillan, David Medalla, Tracey Moffat, Map Office, Kirsten Palz, Fiona Pardington, Martin Sexton, Sumugan Sivanesan, Shonah Trescott, Tv Moore, Mariana Vassileva

Nezaket Ekici, Tube, Vorstellung im Collegium Hungaricum Berlin, 2013

Das MOMENTUM-Performance-archiv - zeigt Videos von Vorstellungen, die von MONUMENTUM autorisiert wurden oder dort inszeniert wurden:
Joyce Clay, Catherine Duquette, Nezaket Ekici, Mariana Hahn, Emi Hariyama And Mariana Moreira, Kate Hers, Jarik Jongman, Sarah Lüdemann and Adrian Brun, Kirsten Palz, Sumugan Sivanesan, Yulia Startsev, Traveling Souls

Unterlagen von MOMENTUM können hier eingesehen werden.

The Best of Times, The Worst of Times Revisited: Ausgewählte Videowerke von der ersten Kiev Biennale, organisiert von David Elliott: John Bock, Lutz Becker, Yang Fudong, Gulsun Karamustafa, Tracey Moffat, Map Office, Miao Xiaochun.

COLLEGIUM HUNGARICUM VIDEO PROGRAMM ergänzt MOMENTUMs internationale Videoauswahl mit seiner eigenen ungarischen Videokunst der letzten zehn Jahre. Reflektionen persönlicher Erfahrungen, Geschlechter und sozialkritische Aspekte spielen eine wichtige Rolle in den Werken, die die Kuratoren ausgewählt haben.
Darunter sind Arbeiten von: Erika Baglyas, Mona Birkás, Gábor Bódy, János Borsos, Róza El-Hassan, Marcell Esterházy, Dávid Gutema, Edina Cecília Horváth, István Illés, Judit Kis, Dora Mauer, Miklós Mécs, Hajnal Németh, David Szauder, Annamária Szentpétery. 

 

Collegium Hungaricums Ausstellungsunterlagen können hier eingesehen werden.

 

ANSÄSSIGE KÜNSTLER

Kuratoren: Constanze Kleiner, Rachel Rits-Volloch

Im Dezember 2013 vereidigt TRAFO sein verfahrensbasiertes Wohnsitzprogramm, gemeinsam mit MOMENTUM Berlin. Durch den Austausch der Wohnorte beherbergt TRAFO den deutschen Bildhauer Andreas Blank und den niederländischen Maler Jarik Jongman.

Andreas Blank wurde 1976 in Ansbach geboren. Er besuchte die Staatliche Akademie der Bildenden Künste und war Meisterschüler unter Prof. Klingelhöller. Er bekam ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes und erhielt seinen M.F.A. am Royal College of Art in London. 2009 gehörte er zu den Finalisten für den New Sensations Award von Channal 4 und der Saatchi Gallery. Blank lebt und arbeitet in Berlin. Seine in Stein gehauenen trompe l’oeils auf den ersten Blick flüchtig, seine Arrangements sind jedoch genau inszeniert und bei näherer Betrachtung bemerkt man, dass Glühbirnen, Transportboxen und Plastiktüten aus Mamor, Alabaster oder Sandstein gefertigt sind. In seiner bildhauerischen Tätigkeit kombiniert Andreas Blank das Abstrakte mit dem Realistischen, das Begriffliche mit dem Technischen. Er beschafft sich Steine aus Steinbrüchen der ganzen Welt, bearbeitet sie mit durchdachter Behutsamkeit und wandelt sie mal  zu bewusst stilisierten, mal zu täuschend echt wirkenden Objekten des alltäglichen Lebens um. In seinen präzisen Anfertigungen erreichen die vergänglich scheinenden Objekte monumentale Beständigkeit. Ob Marmor, Alabaster oder Porphyr, Materialien, die historisch in religiösen oder politischen Zusammenhängen verwendet wurden, erhalten in unter Blanks Händen einen lässigen, unvollständigen Charakter. Die geographische und kulturelle Identität des Steins und die generell zum Denken und Gedenken anregende Funktion von Steinskulpturen verweisen auf den Wert jedes Objekts. Blank stellt Offensichtliche in Frage und verwandelt die traditionellen Ideale und Werte in Gewöhnliches und Gegenwärtiges. Als ansässiger Künstler bei TRAFO wird er eine Auswahl seiner bisherigen Arbeiten ausstellen und in Verbindung mit dieser eine neue Skulptur entstehen lassen.

 

Jarik Jongman, ein ehemaliger Assistant von Anselm Kiefer, der sowohl eigene Fotografen, als auch anonyme Bilder von Flohmärkten, aus Büchern, Magazinen oder dem Internet benutzt, um seine künstlerische Arbeit zu beginnen, die oft mit archetypischer Bildsprache zu tun hat. Geboren in den Niederlanden, studierte er in Arnheim und hatte zahlreiche Ausstellungen in London, Berlin, der Schweiz, Amsterdam und bei der 53sten (2009) und 54sten Biennale in Venedig in begleitenden Veranstaltungen. Er lebt und arbeitet in Amsterdam. Jongman wird seine Serie selbst gemalter Portraits von Ikonen der zeitgenössischen Kunstwelt erweitern. Er hat traditionelle Ölmalerei für eine interaktive, performative Praxis verwendet. Diese war ursprünglich für die Ausstellung ABOUT FACE im MOMENTUM Berlin 2012 entwickelt worden. Indem er einige der reichsten und einflussreichsten Akteure der heutigen Kunstwelt malt, ruft er das Publikum nachträglich auf, alle Grenzen und Tabuisierungen seiner Beziehung zu Kunst zu brechen. Er ermutigt die Betrachter zur schieren Bilderstürmerei im Kontext der geheiligten Umgebung des Museums, stellt sogar Hilfsmittel zur Verfügung, mit denen sie ihre Markierung auf den Gemälden zu hinterlassen können. Das Resultat ist eine Reihe verstümmelter Bilder, die an die beschädigten Wandgemälde und gestürzten Statuen verdrängter Diktatoren aus aller Welt erinnern. Diese Serie wurde bis jetzt in Berlin, Jerusalem und London ausgestellt, mit Portraits von Kunstikonen, die spezifisch für jeden Schauplatz ausgesucht wurden. Für seine Künstlerresidenz in TRAFO wird Jongman die Resultate vorangegangener Ausstellungen präsentieren und außerdem fünf neue Portraits mit Ikonen der polnischen Kunstscene gestalten. Die Themen dieser Bilder werden unter Einbeziehung des Publikums von Stettin durch einen öffentlichen Aufruf ausgesucht werden, sodass die Adressaten in den gesamten Entstehungsverlauf der Kunst involviert werden – beginnend bei der Themenwahl, bis zum letzten Schritt der persönlichen Verewigung auf dem fertigen Werk. 

Besuchen Sie MOMENTUM Berlin bis zum 26.01.2013 um Natalia Szostak's Ausstellung SANATORIUM zu sehen, präsentiert als ein Teil des Projektes der ansässigen Künstler. Kuratorin: Aurelia Nowak

Dieser Wohnsitz, in Partnerschaft mit TRAFO Trafostacja Sztuki in Stettin wurde von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit ermöglicht.

 

THE BEST OF TIMES, THE WORST OF TIMES REVISITED
(DAS BESTE UND SCHLECHTESTE ALLER ZEITEN NEU AUFGEGRIFFEN)

Mit:

Lutz Becker, John Bock, Yang Fudong, Gülsün Karamustafa, Tracey Moffatt, Map Office, and Miao Xiaochun

Kurator: David Elliott

Dieses besondere Programm von Videoarbeiten wurde ursprünglich bei der ersten Kiev Biennale 2012 vorgeführt, kuratiert von David Elliot, dem künstlerischen Leiter der Biennale. Die Arbeiten waren sowohl im MOMENTUM Berlin zu sehen, als auch ein Teil unserer SKY SCREEN-Aktion bei SALT Istanbul und auf der Medienfassade des COLLEGIUM HUNGARICUM Berlin.

 

Um die ersten Worte von „Eine Geschichte von zwei Städten“ („A Tale of Two Cities“, 1859) wiederzugeben, Charles Dickens’ bekanntem Roman, der sich in der Zeit der Französischen Revolution abspielt, springt diese Ausstellung in die Gegenwart um abzuwägen wie zeitgenössisch Kunst und Ästhetik die Vergangenheit nutzen, um die Zukunft auszudrücken. Die Ideale der Menschenrechte entwickelten sich während des 18. Jahrhunderts, die europäische Aufklärung fand ihre erste politische Umsetzung in der amerikanischen und französischen Revolution. Doch trotz aller anfänglich guten Absichten sind währenddessen die Menschenrechte eingeschränkt worden, da jede Revolution in ihrem Innersten nicht nur das Beste, sondern auch das  Schlechteste an menschlichem Gedankengut und Handeln trägt. Dieses Programm reflektiert über utopische Träume von Freiheit, Gleichheit und Sicherheit, die jedem heutzutage sehr am Herzen liegen, sowie über ihr Gegenteil: Terror, Ungerechtigkeit und Krieg. Es sind die zerstörerischen Kräfte von Mensch und Natur, die ein idealeres Leben unmöglich zu machen scheinen. Das gleichzeitige Zeigen an den drei Orten in Berlin und Istanbul und das Neuaufgreifen dieser Werke, ist eine zeitgemäße Antwort auf die aktuelle Situation in der Türkei, wo die Wunschbilder von Demokratie und Freiheit erneut im Fokus stehen. Der Künstler Miao Xiaochun, der auch daran beteiligt ist, stellt gerade die Republik China auf der 55. Venedig Biennale dar.

 

KÜNSTLER UND WERKE

Lutz Becker,             THE SCREAM (DER SCHREI) (2012)  

Geboren 1941 in Berlin, Deutschland, lebt und arbeitet in London, Großbritannien.
Der Künstler, Kurator, Filmemacher und -historiker studierte an der Slade School of Fine Art, London, wo er unter Thorold Dickson seinen Abschluss machte und ein angesehener Regisseur für Politik- und Kunstdokumentationen wurde. Er ist praktizierender Maler und auch Kurator für Ausstellungen. Er arbeitete zusammen mit der Hayward Gallery an The Romantic Spirit in German Art (1994), Art and Power (1995), und Tate Modern on Century City (2001). Seit dem Jahr 2003 arbeitet er an der Rekonstruktion von Sergei M. Eisensteins Film ¡Que viva Mexico! ‒ Da zdravstvuyet Meksika! der Mexican Picture Partnership ltd..

 THE SCREAM 

Die Viedeoinstallation The Scream (Der Schrei) ist eine Huldigung des ukrainischen Filmemachers und Dichhters Aleksandr Dovzhenko (1894-1956). Es ist eine Betrachtung Doyzhenkos als Poet, der seine Geschichten in Form klassischer Eklogen erzählte, in denen ländliche Einfachheit im Kontrast zu moderner Selbstbewusstheit steht. Sogar in seinen offenkundigeren politischen Filmen bleibt Doyzhenkos Blickpunkt subjektiv und der altertümlichen Art des Geschichtenerzählens, deren Allegorien, Symbolen und Typen eng verbunden. Die Installation, die ursprünglich auf drei Bildschirmen präsentiert wurde, wird hier nun als Version für einen Bildschirm gezeigt, die extra für diese Ausstellung entworfen wurde. Das Werk ist eine Montage verschiedener Filmsegmente aus Doyzhenkos Arbeiten, die auf dramatischen Interaktionen und zufälliger Synchronität von Bildern und Szenen basiert - das Spiel von Ähnlichkeit und Kontrast, Texturen, Details und der Monumentalisierung des menschlichen Gesichts.

 

John BockMONSIEUR ET MONSIEUR (HERR UND HERR)  (2011)

© John Bock

Geboren 1965 in Gribbohm, Deutschland, lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland.
John Bock macht Vorträge, Filme und Installationen, die Sprachpraktiken, Theater und Bildhauerei auf absurde und aufwendige Art kombinieren und zusammenbringen. Er ist bekannt dafür, surreale, verstörende und manchmal auch gewaltsame Universen anzufertigen, in denen er phantasmagorische Maschinen aus Abfall und gefundenen Gegenständen benutzt. Bock bricht  sie Grenzen zwischen Vorführungs-, Video- und Installationskunst. Er wuchs in einem ländlichen Bereich von Deutschland auf (ein Hintergrund, auf den er sich in seinen Filmen stützt, die Traktoren und Hasen beinhalten) und wurde bei der sechsten Berlin-Biennale (1998), der 48. Venedig Biennale (1999) und der elften Dokumenta in Kassel (2002) bekannt. Ursprünglich berühmt waren seine unvorhersehbaren, ausgedehnten Liveauftritte, in denen er verblüffende Bräuche, notdürftige Kulissen aus Tischen, Schränken, einfacher Maschinerie und seinen eigenen ausschweifenden Vortragsstil zusammenbringt. In exzessive Anhänge gekleidet und mit ekelerregenden Substanzen bedeckt, interagiert Bock mit handgemachten Ensembles und leblosen Objekten, die sich auf die gesamte Bandbreite sozialer, wissenschaftlicher und philosophischer Strukturen beziehen. Der etwas zurückhaltenderen Praxis von Joseph Beuys folgend, bleiben Kulissen und Gegenstände nach seinen Vorträgen in ihrer Aufstellung am Ausstellungsort. Ausgehend von seinen früheren Dokumentationsvideos seiner Vorstellungen hat er vor kurzer Zeit begonnen an komplexeren Filmen und Videos zu arbeiten, die mit Strukturen und Genres des Kinos spielen. Er benutzt spektakuläre Kulissen und Kostüme, schnell wechselnde Schnitte und eine Mischung aus Geräuschen und populärer Musik um Erzählungen in Szene zu setzen, die auf so weite  Felder wie die Klischees der Hollywoodfilme der 90er Jahre, die Rockmusik der 70er und das Dandytum des 19. Jahrhunderts verweisen.
Er erscheint nicht persönlich in Monsieur et Monsieur (2011), der Film, der hier gezeigt wird, hat jedoch stattdessen die Rolle des Regisseurs von diesem bizarren, kafkaesken Albtraum.

 

Yang FudongYEJIANG / THE NIGHTMAN COMETH (DER NACHTMANN KOMMT) (2011) 

© Yang Fudong 

Geboren 1971 in Peking, China, lebt und arbeitet in Shanghai, China.
Yang Fudongs Filme, Fotografien und Videoinstallationen kommen von einem Interesse an der Kraft eines bewegten Bildes, Subjektivität, Erfahrung und Gedanken zu erforschen. Er knüpft stilistisch an verschiedene Zeitabschnitte in der Geschichte des chinesischen Kinos an um ergebnisoffene, existenzielle Erzählungen zu schaffen, die alltägliche Rituale mit Traum- und Fantasiezuständen durchweben. Yang lernte als Maler an der China Academy of Fine Arts in Hangzhou. In den neunziger Jahren begann er im Bereich Film und Video zu arbeiten. Er ist bekannt für seine Kameraführung und Meisterhaftigkeit im filmischen Stil, benutzt 35mm-Filme um kraftvolle, poetische Arbeiten über das menschliche Befinden mit seiner Malaise und Fantasie des täglichen Lebens entstehen zu lassen. Er besitzt die Fähigkeit, sich in die Traditionen chinesischer Kunst, das Kino und Literatur einzufühlen. Alle seine Filme sind  philosophisch und haben ein offenes Ende, regen Fragen zu Geschichte und gegenwärtigem Leben an und schildern meistens die Leben von jungen Menschen seiner eigenen Generation, jedoch mit geschichtlichen Nachklängen, die manchmal ganze Jahrhunderte überspannen. Mit klassisch und präzise in Szene gesetzten Vignetten schlegen Yangs Werke eine Poesie des Ortes unde eine Kritik der Zeit vor, welche durch die Interaktion von Individuen eher als durch politische Doktrin bestimmt ist. 

YEJIANG / THE NIGHTMAN COMETH 

Die Arbeit, die hier auf einem Einzelbildschirm gezeigt wird entfaltet sich im Bereich historischer Fantasie. Man sieht einen altertümlichen Krieger verletzt nach einer aussichtslosen Schlacht, im Zweifel über seinen Lebensweg. Drei geisterhafte Figuren erscheinen als Sinnbilder von Gefühlen und Gedanken, die im Herzen und im Gewissen des Kriegers auftauchen und aufeinanderstoßen, als er sich zwischen Verschwindung und einer Fortsetzung des Kampfes entscheiden muss. Yang zieht die Bezeichnung des Films als ‚neo-realistisch‘ ‚historisch‘ oder ‚allegorisch‘ vor: Neo-realism ist ein Geschichtstheater, wo aktuelle und zeitgenössische Situationen gespielt werden. Wer existiert realistisch, der Kriegerbaron in seinem vorzeitlichen Kostüm oder der Geist im modernen Outfit? Wenn die alte Schlachtszene und andere historische Vorfälle vorkommen, wohin gehören sie – in die Vergangenheit, die Gegenwart oder die anbrechende Zukunft? Nichtsdestotrotz gibt es Hoffnung. Der Körper ist voller Gier, während die Seele kostbarer ist. Sein Geist ist, was ihn am Leben hält. Wie sollten wir jetzt unsere Leben leben? Wie identifizieren wir uns selbst mit neorealistischen historischen Ereignissen, die fortlaufend nach spirituellen Bedeutungen suchen? Was wollen wir wirklich? [DE]

 

Gülsün KaramustafaINSOMNIAMBULE (2011) 

© Gülsün Karamustafa

Geboren 1946 in Ankara, Türkei, lebt und arbeitet in Istanbul, Türkei.
Ihre gesamte vierzigjährige Karriere arbeitet sie schon mit verschiedenen Medien und sich mit Gedanken von Bewegungsfreiheit, einschließlich Verdrängung, Immigration, Verbannung, Exil und Wohnortwechsel befasst. 

INSOMNIAMBULE

Insomniambule folgt den nächtlichen Reisen von zwei Frauen, Somnambule und Insomniac. Während eine erahnen lässt, dass sie Schlafwandlerin ist, steht die andere im Gegensatz dazu als das  Symbol ständiger Bewusstheit. Obwohl es scheint, als sollten die beiden die Verschiedenheit von Wachen und Schlafen darstellen, weisen die ihre Verfassungen grundsätzlich deutliche Ähnlichkeiten auf. Beide kämpfen gegen den Zustand des Schlafens – Isomniac, indem sie willkürlich verschmäht, zu schlafen und versucht, immer bewusst wach zu bleiben, während Somnambule sich von einem bereits vorhandenen Schlafzustand gegen den tiefen Schummer ankämpft. Von ihrer jeweiligen Situation aus müssen beide Figuren einen Weg finden, dich an das normale Leben anzupassen. Sie gehen durch die Türen des Gedächtnisses und der Erinnerungen und spielen unterbewusst Spiele, die sie durch sowohl ihre persönliche, als auch ihre soziale Vergangenheit und Gegenwart führen.  Diese beiden Charaktere, die von zwei Frauen repräsentiert werden, die sich ständig gegenseitig folgen, betonen die verblüffende Wahrnehmung und merkwürdige Beziehung, des Zweigeteiltseins. Deshalb können Isomniac und Sonambule problemlos in dem Wort Isomniambule vereint werden, das als Symbol für sie beide und ihre Untrennbarkeit steht. Außerdem schafft es eine Grundlage um die Verbindung zwischen künstlerischer Kreativität und dem Doppelzustand von Isonomie und Schlafwandlerei zu verstehen.

Gleichzeitig mit  MOMENTUMs Videoprogramm laufend, hat Gülsün Karamustafa eine wesentliche Retrospektive ihres Werkes bei SALT, unserem Partner für SKY SCREEN in Istanbul. Die Solo-Show A PROMISED EXHIBITION läuft vom 10. September 2013 bis zum 5. Januar 2014. Für weitere Informationen, klicken sie hier: SALT.

           

Tracey MoffattDOOMED (UNTERGANGSGEWEIHT) (2007)

© Tracey Moffat

Geboren 1960 in Brisbane, Australie, lebt und arbeitet in Australien und den USA.
Traces Moffatt gehört zu Australiens maßgebenden zeitgenössischen Künstlern und ist gleichzeitig eine Künstlerin von internationaler Wichtigkeit. Sie hatte mehrere Einzelausstellungen in großen Museen auf der ganzen Welt. Sie arbeitet mit Fotografie, Film und Video. Das erste mal, dass sie bedeutsamen Zuspruch der Kritiker bekam, war 1990 beim Filmfestival von Cannes, als ihr Kurzfilm Night Cries für den offiziellen Wettbewerb ausgewählt wurde. 

DOOMED

Tracey Moffatts Videocollage Doomed zeigt Abbildungen von Untergang und Zerstörung – Krieg, Gewalt, Terror – wie sie im normalen Kino erscheinen. Sie entstand in Zusammenarbeit mit Gary Hillberg, mit dem sie auch Other (2009), Love (2003), Artist(2000) und Lip (1999) machte und bedient sich der Ausschneiden-und-Einfügen-Technik, die in  einer sehr unterhaltsamen und von schwarzem Humor gekennzeichneten Aufnahme, die sich der Rauseite unserer gegenwärtigen psychologischen Landschaft befindet. Moffats Film beihnhaltet sowohl gänzlich fiktionale, als auch rekonstruierte verheerende Ereignisse. Jede Szene  trägt eine Menge Bezüge und Hinweise in sich. Sie haben ihre eigene, einmalige Symbolik und filmische Wirkung - sind einerseits ergreifend, außergewöhnlich, episch und tragisch und andererseits zweitklassig und ausgesprochen billig. Die Anhäufung von Szenen jedoch, mit Moffatts eigener Ausdrucksweise, schafft ein aus Teilen zusammengesetztes erzählerisches Ganzes. Moffatt spielt nicht nur in einem ‚Desaster‘-Genre unter reflexiver Benutzung seiner Klischees, sie schwelgt darin. Sie weist darauf hin, wie der Zuschauer über Emotionalität in die filmischen Erzählungen hineingezogen wird, durch das Versprechen von einem bevorstehenden Desaster – ein wichtiges erzählerisches Mittel. Der Film selbst ist mit einer Einleitung, Hauptteil und Schlussscene gestaltet – eine Vorführung der Form von filmischer Unterhaltung, sowie ‚Kunst als Unterhaltung. 

 

Map OfficeOVEN OF STRAW (STROHOFEN) (2012)

© Map Office 

MAP OFFICE ist eine multidisziplinäre Plattform, die von Laurent Gutierrez (* 1966, Casablanca, Marokko) und Valérie Portefaix (* 1969, Saint-Étienne, Frankreich) entwickelt wurde. Dieses Künstler-/Architektenduo ist seit 1996 in Hongkong etabliert, wo es in leibhaftigen und unwirklichen Gebieten arbeitet und dabei unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten benutzt, wie zum Beispiel Zeichnen, Fotografie, Video, Installationen, Darstellungen sowie literarische und spekulative Texte. Beide unterrichten an der Hochschule für Gestaltung, Hong Kong Polytechnic University. 

THE OVEN OF STRAW

Die Ukraine ist die traditionelle “Scheune” von Europa und einer der wichtigsten landwirtschaftlichen Produzenten. Vor dem Hintergrund von Hungerskrisen und finanziellem Mutmaßen von Landwirtschaft, würden wir gerne den Weizen als Ausgangspunkt benutzen, um über die Auswirkung von Spekulation auf das Land nachzudenken. The Oven of Straw war ursprünglich eine Videoinstallation und wird hier als Film gezeigt, der erzählerische Bruchstücke verflechtet, die durch ihre Beziehung zum Weizen in Verbindung stehen. Die Installation war eine kleine Konstruktion, die Besucher dazu einlud, beengten Raum in Form eines Ofens zu betreten, der aus Stroh gemacht war.  Die Struktur des Ofens ahmt die einer Bank nach: dicke Wand und kleiner Eingang, was gegensätzliche Wirkungen, potenzielle Gefahr und gleichzeitig Sicherheit suggeriert. Das Innere ist wie ein kleines Kino gestaltet, wo den Besuchern ein Kurzfilm präsentiert wird. Indem das archivarische Material verschiedener Filme vermischt wird, erkundet  Oven of Straw die Rolle des Weizens als eine akzeptierte Währung.

 

Miao XiaochunRESTART (NEUSTART) (2008-2010)

© Miao Xiaochun

Geboren 1964 in Wuxi, Jiangsu, China lebt und arbeitet in Peking, China. Miao Xiaochun machte seinen Abschluss an der Central Academy of Fine Arts (CAFA) in Peking und der Kunsthochschule Kassel in Deutschland. Zur Zeit ist er Professor an der CAFA und einer der führenden digitalen Künstler Chinas. Während er in Europa studierte, machte er sich mit der westlichen Kunstgeschichte vertraut – Motive von berühmten klassischen Gemälden werden oft in seinen Videos animiert. Miao Xiaochun wird für einen der charakteristischsten und einflussreichsten Künstler im Bereich von der neuen Medienkunst in China gehalten. Er begann in den Neunzigerjahren seine kreativen Erkundungen der Schnittflächen von Realem und Virtuellem. Sein umfangreiches Œuvre beinhaltet simultane Fotografie, Malerei und 3D-Computeranimationen. Er arbeitet in zeitgenössischer Fotografie, basierend auf einer Perspektive mit „multiplen Blickpunkten“ auf wegbereitenden Verbindungen zwischen Geschichte und Moderne. Miao Xiaochun nutzt erfolgreich 3D-Technologie um auf einem 2D-Bild eine virtuelle 3D-Szene zu kreieren, eine stehende Leinwand in bewegte Bilder zu verwandeln und damit gleichzeitig die traditionelle Art der Bildbetrachtung zu verändern und den Meisterwerken eine ganz neue Interpretation und Bedeutung zu geben – besonders mit dem beeindruckenden Einsatz von eigentümlichen Vorstellungen über Geschichte und Zukunft. Seine Arbeiten fügen ein wichtiges Beispiel zu den heutigen Begegnungen mit Kunstgeschichte hinzu und öffnen ein neues Leistungsvermögen für die Kunst, wenn er mit neuen Möglichkeiten experimentiert und sich einen Schritt in die neuen potenziellen Sphären vorwagt. 

RESTART

The apocalyptic 3D video Restart begins with an animation of Pieter Breughel’s The Triumph of Death (c. 1562). Here one famous Western masterpiece morphs into another and classical civilisation crumbles into modern chaos. As the video continues, images of the present begin to take hold, some reflecting China’s recent economic growth and technological prowess. yet no triumphalism is intended in what after all is a continuing cycle. In Xiaochun’s works the naked homogeneity of seemingly oriental CG figures based on the artist’s body, dead or alive, represent everyman ‒ his joys and horrors as well as the endless struggles between life, love and death.

 

DAVID ELLIOTT

© David Elliott

David Elliot ist ein als Engländer geborener Kurator und Schriftsteller. Von 1976 bis 1996 war er Direktor des Museum of Modern Art in Oxford, England, dann Direktor des Moderna Museet [Das Nationalmuseum für modern und zeitgenössische Kunst] in Stockholm, Schweden (1996-2001), begründender Direktor des Mori Art Museum in Tokyo (2001-2006), der erste Director des Istanbul Museum of Modern Art [Istanbul Modern] (2007), Intendant der 17. Biennale von Sydney (2008 – 2010) und der ersten internationalen Biennale zeitgenlssischer Kunst in Kiev (2011-12). Er hatte eine Rudolf Arnheim Gastprofessur in Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin (2008) und war Gastprofessor für Museumsstudien an der Chinese University in Hong Kong (2008/11/13). Von 1998 bis 2004 war er Präsident des CIMAM (International Committee of ICOM for Museums of Modern Art). Er ist ehrenamtlicher Präsident im Vorstand von Triangle Art Network/Gasworks in London und im Asia Advisory Board des Guggenheim Museum in New York.

THE BEST OF TIMES, THE WORST OF TIMES REBIRTH AND APOCALYPSE IN CONTEMPORARY ART

The Best of Times, The Worst of Times reflektiert über scheinbar utopische Träume von Freiheit, Gleichheit und Sicherheit sowie über ihr Gegenteil: Terror, Ungerechtigkeit und Krieg, die jedem heutzutage sehr am Herzen liegen. Es sind die zerstörerischen Kräfte von Mensch und Natur, die ein idealeres oder stabileres Leben unmöglich zu machen scheinen. Auch die kantische Idee von künstlerischer Eigenständigkeit ist eine der bedeutsamen Hinterbliebenen dieses revolutionären Zeitalters. Ohne sie wäre Kunst immer ein Diener einer größeren Macht und gegenwärtige Kritik würde wie ein kleines, ruderloses und leckendes Boot in Abhängigkeit der unermesslichen, alleseinnehmenden Gezeiten enden.